Allgemeines

Musikament ist ein Kunstwort. Seine Aussage ist klar. Musik kann eine Wirkung auf uns haben, ähnlich eines Medikamentes. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen belegen dies klar.

Musik und ihre Rhythmen vermitteln emotionale Informationen und entfalten unter Umgehung unseres Intellektes eine direkte, affektive Wirkung auf uns Menschen. Aktuelle Forschungsergebnisse belegen einen therapeutischen, weitgehendst nebenwirkungsfreien Gewinn durch die Anwendung von Musik. Schmerzen werden verringert und die Gabe von Analgetika und Sedativa können reduziert werden.
Im Rahmen neuer Überlegungen, die auf dem Prinzip der Multimodalen Therapie basieren, hat Musik - sowohl in Form einer aktiven Therapeutischen Intervention als auch in Form reinen Rezeptiven Musikhörens eine Bedeutung, die im Sinne einer adjuvanten Therapieform gesehen und praktiziert werden kann:

Musik zählt zu den ältesten Kulturgütern der Menschheit. Die ältesten als solche identifizierten Musikinstrumente werden auf ein Alter von 50 000 Jahren datiert. Dazu zählen Funde wie z. B. ein in der Ukraine gefundener Mammutschädel, der als Trommel verwendet wurde, oder Flöten aus Vogelknochen. Den Ursprung der Musikwirkung vermuten Forscher in einer bereits im Mutterleib stattfindenden Konditionierung des Fötus auf die akustischen Signale und Rhythmen im Mutterleib, wie den mütterlichen Herzschlag, ihren Atemrhythmus und die Sprache. Musik und Rhythmen entfalten direkt, unter Umgehung des Intellektes, eine affektive (gefühlsbezogene, nicht rationale) Wirkung auf uns und vermitteln emotionale Informationen (Panksepp, 2002).


Musik und ihre Wirkung

Musik spricht uns auf den verschiedenen Ebenen unseres Seins an und richtet sich direkt an den ganzen Menschen und seine körperlichen, emotionalen und geistigen Funktionen. Musik und ihre Rhythmen können Körper und Seele auf Grund der psychophysiologischen Wechselwirkungen aktivieren, aber auch beruhigen. Sie können die Stimmung positiv beeinflussen und trübsinnige Gedanken zurückdrängen. So wirken schnelles Tempo, häufige Tempowechsel und tänzerischer Dreiertakt anregend, während zweizeitige Taktarten in gleichmäßigem Tempo unterhalb der Herzfrequenz beruhigen. Laute Musik mit starken Akzenten stimuliert, sanfte, pulsierende Musik mit geringer Lautstärke entspannt. Weite, eher aufwärts gerichtete melodische Sprünge aktivieren, eher abwärts gerichtete Tonschritte dämpfen die Erregung. Musik hilft bei Einsamkeit, kann von Sorgen und Problemen ablenken und das Gefühl des Dazugehörens, der Gemeinschaft vermitteln. Diese universellen Möglichkeiten setzt man im Rahmen aktiver und rezeptiver Musiktherapie - auch in Verbindung mit gesprochenen Entspannungsanleitungen - ein. Musik kann anxiolytisch (angstlösend) wirken, was in vielen klinischen Studien durch Analysen der entsprechenden Hormonspiegel belegt werden konnte. So kann Musik z. B. im Rahmen der Operationsvorbereitung angstinduzierte Verspannungen verringern und postoperativ eine Dosisreduktion von Sedativa und Analgetika bewirken (Bernatzky et al., 2006; Miller, 2005). Eine umfassende Übersicht über psychophysiologische Effekte von Musik in der Anästhesie und Schmerztherapie findet sich bei dem Deutschen Anästhesisten Ralph Spintge (Spintge 1992).


Entspannung und ihre Wirkung

Entspannung tut vor allem dann wohl, wenn eine Stressbelastung vorliegt. Egal, ob in einer Alltagssituation, in Belastungs- und Prüfungssituationen, vor und nach Operationen, durch Schmerz oder Ängste hervorgerufen - diese Liste ließe fast beliebig verlängern. Vergleichbar und unabhängig von Musik wirkt auch Entspannung auf das Vegetativum. Gesprochene Entspannungsanleitung und Musik ergänzen einander synergistisch (sich gegenseitig fördernd). Auch in der Literatur bestätigt sich, dass ihre Verbindung für eine optimale Entspannung sehr gut geeignet ist (vgl. Kullich et al, 2003).


Stress

Stress stellt an und für sich ein wichtiges Geschenk der Natur dar, da er in Gefahrensituationen unsere Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht. Beim Sport als Eustress erwünscht, in Gefahrensituationen - Disstress - überlebensnotwendig - als Dauerbelastung - ebenfalls Disstress - pathogen bewirkt Stress vor allem als Dauerstress Schaden. Denn es kommt im Rahmen der individuellen Stressreaktion zu einer vegetativen und hormonellen Aktivierung, zu einer dauerhaften Alarmierung unseres Organismus, einer ständigen Bereitschaft ohne Ausführung, die langfristig zu Erschöpfung, Burnout bis hin zu krank sein führt. Aktuellen Untersuchungen zufolge leidet jeder Dritte unter seinem Stress .


Forschung

Aktuell findet man unter www.pubmed.com mehr als 15.000 Einträge zum Thema Musik und mehr als 16.000 Einträge zu „relaxation therapy“ (Entspannungstherapie) aus den Bereichen Medizin, Psychologie und Biologie. Der Autor dieses Artikels beforscht diese Gebiete mit dem Schwerpunkt Schmerz intensiv seit über 30 Jahren. In langjähriger Zusammenarbeit u.a. mit dem Salzburger Psychologen Mag. Franz Wendtner entstanden mehrere Studien und mit der Zeit auch die Absicht, Erkenntnisse aus Forschung und Praxis in die Realität umzusetzen und für Betroffene nutzbar zu machen. Wir nahmen auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse beruhende und für die therapeutische Anwendung optimierte CD´s auf.


Ausblick/Ziele

Schmerztherapie umfasst allgemein gesehen wesentlich weitergehende Bereiche als nur eine adäquate medizinische Schmerzeinstellung und Symptomkontrolle. Vor allem die weiter oben angeführte psychologisch/psychotherapeutische Begleitung ist im Rahmen einer qualifizierten integrativen Schmerztherapie ein wesentlicher Faktor, ebenso sind spirituelle, pflegerische, physiotherapeutische und teils auch diätetische Aspekte zu integrieren.
Qualifizierte Information und Beratung hinsichtlich der von vielen Patienten angewandten komplementären und alternativen Methoden sollte selbstverständlich werden. Einerseits um unerwünschte oder sogar gefährliche (Wechsel-)Wirkungen auszuschließen, Quacksalberei und Kurpfuscherei zu enttarnen und andererseits um den erreichbaren Benefit durch Heran¬gehensweisen wie z. B. Qigong, Akupunktur oder Musiktherapie adäquat zu kommunizieren.

Literatur

Panksepp J, Bernatzky G (2002) Emotional sounds and the brain: the neuro-affective foundations of musical appreciation. Behav Processes 60: 133-155

Spintge R, Droh R (1992) Musik-Medizin. Physiologische Grundlagen und praktische Anwendungen. Gustav Fischer, Stuttgart Jena New York

Kullich W, Bernatzky G, Hesse H-P, Wendtner F, Likar R, Klein G (2003). Musiktherapie - Wirkung auf Schmerz, Schlaf und Lebensqualität bei Low Back Pain. Wien Med Wochenschr 153: 217-221

Bernatzky G., Wendtner F., Bernatzky P., Kulllich W., Likar R. (2006) Therapeutische Anwendung von Musik und Entspannungsanleitung bei Patienten mit Schmerzen und von Musik allein bei Patienten mit Morbus Parkinson. Musik, Tanz- und Kunsttherapie 17(4), 178-186

Miller K., G. Bernatzky (2005) Purpose of music and relaxation for health promotion after bariatric surgical procedure. Prospective, randomized study. 22nd Annual Meeting of the American Soc. For Bariatric Surg. (26.6.-1.7.05)